Warnstreik am 11.02. in Göttingen
Mittwoch 5h30, windig, schweinekalt… aber die Frisur sitzt!
Nach dem Streikauftakt vor einer Woche, wo wir uns fühlten wie die sieben Schwaben und in den
Gesprächen an den Eingängen eine große Verunsicherung, ja sogar teilweise richtige Angst von
den Beschäftigten geäußert wurde (was Angesichts der Einschüchterungstaktik des Vorstandes nicht verwunderlich war!), herrschte jetzt eine ganz andere Stimmung. Selten hatten wir so viele Streikposten, selten war ein so großes Maß an Entschlossenheit und Ärger spürbar.
Unsere „Volksvertreter“, die jetzt nach langen Jahren der Sparparolen schier unglaubliche
Geldmengen über gescheiterten Finanzjongleuren ausschütten, aber für ihre eigenen Beschäftigten nicht nur kein Geld übrig haben, sondern sogar in unglaublicher Arroganz nicht einmal ein Angebot machen, bringen mittlerweile auch den friedfertigsten in Wut.
Herr Möllring, der schon wieder in der von 2006 bekannten Art und Weise versucht, den Tarifstreit zu verschleppen, wird die Antwort bekommen, die er verdient!!
Und jeder hier in der Region (auch der Klinikvorstand!) sollte sich genau überlegen, auf welcher Seite er bei diesem Streit stehen möchte. Handel und Handwerk sollten sich klarmachen, dass gerade
die Uni-Bediensteten mit den kleineren Einkommen jeden Cent hier ausgeben und nicht nach z.B. Lichtenstein bringen werden. Man kann beklagen, dass der Öffentliche Dienst hier der größte
Arbeitgeber geworden ist, aber daraus resultiert auch, dass eine Aufstockung unserer Einkommen
ein wunderbares Konjunkturprogramm wäre.
Nachdem wir ordentlich durchgefroren waren, trafen wir uns gegen 7h30 am Haupteingang.
Wir waren immer noch sehr gespannt, wie viele Beschäftigte sich am Streik oder zumindest an der
Kundgebung beteiligen würden, aber wir waren schon sehr sicher, dass es erheblich mehr sein würden, als beim letzten Mal.
Und tatsächlich! Nach ein paar aufmunternden Worten von Horst (Roth) formierten sich nicht die sieben Schwaben, sondern der Lindwurm himself hinter unserem neongrünen Anti-Spalter-Transparent. Es waren ca. 350 Leute, die in einer langen Schlange einmal um das Klinikum zogen
(incl. Vorstandsgebäude, wo aber niemand sich blicken ließ).
Wenn man sich überlegt,dass an manchen Arbeitsplätzen nie viel mehr als die Notdienstbesetzung
anwesend ist, und aufgrund von Nachtdiensten und privaten Verpflichtungen, wie z.B. der Betreuung
kleinerer Kinder, mancher gar nicht teilnehmen konnte, ist das schon ein sehr ordentlicher Erfolg – aber natürlich immer noch nicht genug!!
Sollte aus den Warnstreiks ein Erzwingungsstreik werden, erwarten wir natürlich, dass der Eine oder
Andere mehr seine z ögerliche Haltung aufgibt und sich aktiv für seine Interessen einsetzt!
Nachdem der „Lindwurm“ wieder vor dem Haupteingang angekommen war, gab es heißen Kaffee
und wärmende Worte, denn es war immer noch richtig kalt.
Verdi-Chef Siegfried Sauer erläuterte noch einmal den nicht vorhandenen Stand der Verhandlungen und bekräftigte auch erneut den berechtigten Anspruch der Beschäftigten im ÖD,
nach langen Jahren des effektiven Lohnverlustes einen Ausgleich für Preissteigerungen und Steuerer-höhungen zu fordern, wie ihn die Kollegen in Bund und Kommunen schon bekommen haben.
Es folgten weitere Rednerinnen und Redner, unter anderem eine Kollegin aus dem Gastro-Bereich. Die noch einmal die Auswirkungen der Ausgründungsmaßnahmen auf die Beschäftigten der betroffenen Bereiche schilderte und sich für die solidarischen Aktionen der letzten Zeit bedankte.
Ein Gast aus der Diakonie, wies darauf hin, dass wir nicht nur für uns streiken, sondern, dass der TV-L
auch die Richtschnur für die Abschlüsse im konfessionellen Bereich darstellt, da sich die dortigen Arbeitgeber daran orientieren.
Eine Kollegin aus der Pflege entschuldigte sich dafür, beim letzten Mal nicht dabei gewesen zu sein, da die personelle Situation das nicht zugelassen habe. Sie erwähnte, dass auf den Stationen eine Besetzung mit nur einer examinierten Pflegekraft nahezu die Regel ist. Dort wird zur Zeit das
Examinierte Personal durch sogenannte „Pflegeassistenten“ ersetzt. Die Älteren unter uns werden sich vielleicht noch erinnern, dass vor mehr als zwanzig Jahren die „Einjährigen“ (Pflegehelfer) auf
Kosten des Hauses die Möglichkeit bekamen, sich weiter zu qualifizieren, um die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern. Heute geht man offensichtlich trotz gesteigerter Patientenzahlen,
trotz immer krankeren Patienten und gestiegenen Ansprüchen an die Pflege den umgekehrten Weg,
was endlich dazu führen sollte, dass auch Schwestern und Pfleger ihren Dornröschenschlaf aufgeben
und einsehen, dass die Pflege im Klinikum schon längst von sehr ungesunden Umstrukturierungs-
maßnahmen betroffen ist!
Es folgten noch einige kurze Wortmeldungen und der kulturelle Teil, der von „Zorn“ bestritten wurde, die trotz technischer Probleme den ziemlich durchgefrorenen Zuhörern einheizten.
Frischen Mutes zogen wir dann los zum Protestmarsch Richtung Stadt. Mit kurzen Aufenthalten am Verwaltungsgebäude,Goßlerstraße,am Finanzamt und auf dem Campus der Universität, wo eine
Solidaritätsnote der Studierenden verlesen wurde, erreichte ein durchaus beeindruckender
Zug von immer noch über 300 Leuten das Verdi-Gebäude, wo es die berühmte Verdi-Gemüsesuppe gab.
Mit der warmen Suppe im Bauch und dem warmen Gefühl im Herzen, trotz Einschüchterungen
und anderen Widrigkeiten einen erfolgreichen zweiten Warnstreik mit 350 Gleichgesinnten
erlebt zu haben, gingen wir unserer Wege.
Und... für sie Herr Möllring ! .....das nächste Mal werden es 700 Schwaben sein!!
Olaf Uhde