„Es können nicht alle Menschen als Manager geboren werden“

Eine Delegation Göttinger ver.di-Aktiver aus dem Uniklinikum überreicht der Landesregierung in Hannover 3711 Unterschriften gegen Ausgründung und Lohnklau.

Erst nach vielen hartnäckigen Telefonaten einer Kollegin aus dem Hauswirtschaftlichen Dienst (HWD) kam am 15. Juni der Termin mit Vertreter/innen der Landesregierung zustande. Der Plan, mit einer Delegation Beschäftigter nach Hannover zu fahren, stand am Schluss der zweiwöchigen Unterschriftensammlung am Uniklinikum. Zwei Wochen lang konnten Patient/inn/en, Besucher/innen und Bürger/innen Göttingens die Petition der Beschäftigten aus den von Ausgründung bedrohten Bereichen unterschreiben. Die zentralen Forderungen der Kolleg/inn/en:

  • Wir fordern, dass alle Ausgründungen sofort gestoppt werden!
  • Wir fordern, dass auch die Kolleg/inn/en aus den Tochtergesellschaften für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn bekommen wie diejenigen mit den Altverträgen.
  • Wir fordern Respekt für uns und unsere Arbeit, so dass wir weiterhin zum Wohle der Patienten unsere qualifizierte Arbeit leisten können.

Start der Unterschriftensammlung war der klinikweite Aktionstag am 3. Juni 2009 im Klinikum (Bericht). Bis zum 15. Juni kamen insgesamt 3711 Unterschriften zusammen. Obwohl sich die Petition an den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) richtet, war dieser nicht bereit oder in der Lage, sich auf einen Termin mit den Beschäftigten einzulassen. Stattdessen erklärten sich die Staatssekretär/inn/en aus dem Ministerium für Frauen, Gesundheit und Soziales, Dr. Christine Hawighorst, und aus dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Dr. Josef Lange, bereit, das Gespräch zu führen. Die Funktion der beiden in ihren Ministerien: Sie sind die höchsten politischen Beamten unterhalb der Minister. Dr. Lange ist zudem Mitglied im Stiftungsausschuss der Universität und vertritt dort die Landesregierung.

ver.di-Delegation vor dem Sozialministerium
Die Delegation aus der Uniklinik vor dem Sozialministerium

Die Interessen der KollegInnen aus dem Uniklinikum vertraten 23 gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte aus HWD und Gastronomie sowie Verwaltung, Pflege, vom internen Krankentransport, der ver.di-Vertrauensleuteleitung und ver.di-Personalräte. Mit dabei war auch ein Kollege von den ver.di Senioren.

Den Anfang machten die Kolleg/innen aus den von Ausgründung bedrohten Bereichen HWD und Gastronomie. Sie berichteten über die Situation an der Klinik, über Arbeitsdruck, mangelnden Respekt von Vorstand und Management im Umgang mit den Beschäftigten und über die Angst und Unsicherheit, die die Ausgründungsdrohung für sie bedeutet. Hawighorst und Lange wurden aufgefordert, sich mit all ihren Möglichkeiten gegen die Ausgründung einzusetzen.

Diskussion
Diskussion zwischen Beschäftigten der Uniklinik Göttingen und Staatssekretär Lange

Nach den nachdrücklichen Statements der Kolleg/inn/en gab Staatssekretärin Hawighorst das Wort gleich weiter an ihren Kollegen Lange. Und Dr. Lange sparte nicht an großen Worten. Er werde die Anliegen weitertragen und sowohl das Kabinett als auch den Stiftungsausschuss darüber informieren, was er eben gehört hat. Allerdings könne er nichts versprechen. Dr. Lange sprach lange von „strukturellen Problemen“ an der Klinik, die behoben werden müssten. Nach und nach wurde deutlich, was damit gemeint ist: Die Beschäftigten. Genauer wurde er allerdings nicht. Auf das Problem Ausgründung antwortet er mit Informationen, die wir so auch schon längst vom Klinik-Vorstand hätten bekommen können, die dieser aber nicht an die Beschäftigten weitergeben hat. Lange: „Wir haben das Thema Ausgründung beim Personalvorstand, Frau Schulte, angesprochen und um Transparenz gegenüber den Beschäftigten gebeten. … Ich kann Ihnen sagen, es ist noch nichts entschieden.“

Und das, nachdem der Vorstand an der Klinik die Ausgründung der Gastronomie für den 1. Januar 2009 angekündigt hatte und auf einer Personalversammlung vor Beschäftigten zugab, dass die Ausgründung des HWD angedacht sei. Sind diese Pläne nun vom Tisch? Wessen Wort zählt nun? Die Ankündigungen des Vorstandes oder die Aussagen des Staatssekretärs? Diese Frage bleibt offen. Allerdings machte Dr. Lange auch deutlich, dass sich schon im Herbst die Lage ändern kann. Im September kommt der Stiftungsausschuss zu einer Sitzung zusammen, auf der das weitere Vorgehen an der Uniklinik in Sachen Ausgründung und Sparmaßnahmen beraten und vielleicht auch beschlossen werden soll. Weiter äußerte der Staatssekretär, dass eine Privatisierung an der Klinik mit dem Land nicht zu machen sei: „Wissenschaftsminister Stratmann hat sich mehrfach gegen Privatisierung ausgesprochen, dabei bleibt es auch. Privatisierung an der Klinik wird es nicht geben.“ Dabei ist zu beachten, dass Ausgründungen eben nicht das gleiche sind wie Privatisierung, da die Klinik an den GmbHs immer mindestens mit einer Mehrheit beteiligt ist und somit die ausgegründeten Bereiche nicht komplett an andere „private“ Firmen abgegeben werden. Für die betroffenen Beschäftigten ist diese Unterscheidung aber nebensächlich, denn für sie kann eine Ausgründung im Ergebnis das gleich wie eine vollständige Privatisierung bedeuten.

Bemerkenswert an der Aussage ist, dass Lange in diesem Fall klarmachte, dass das Land im Stiftungsausschuss eine Privatisierung verhindern kann. Beim Thema Ausgründung hingegen versprach er zwar, alles in seiner Macht stehende zu unternehmen. Aber er verwies er darauf, dass die Landesregierung im Stiftungsausschuss nur eine Stimme hat.

Die Kolleg/innen brachten die Diskussion immer wieder zurück auf den zentralen Punkt: „Es können eben nicht alle Menschen als Manager geboren werden. Das ist auch gut so. Aber auch wir Arbeiter haben Respekt verdient und einen Lohn, von dem wir leben können.“ Am Ende wurden der Staatssekretärin die Unterschriften überreicht – allerdings nur in Kopie. Die Originale sollen bei passender Gelegenheit an den Ministerpräsidenten übergeben werden. Und eine Gelegenheit wird es im Wahlkampf sicherlich geben.

Staatssekretär LAnge mit den Kopien der Unterschriften
Staatssekretär Dr. Josef Lange mit den Kopien der 3711 Unterschriften aus Göttingen

Fotos: Stephan Knoblauch