...und täglich grüsst das Einspringen
Hier mal ein netter kleiner Text, in dem sich wohl leider einige von euch wiederfinden werden. Mit herzlichem Dank an den Schreiberling!
Mittwoch, 4:15 Uhr, der Wecker klingelt. Das ist früh. Ich wohne aber in Hattingen, dusche gerne bevor ich das Haus verlasse und bin auch gerne eine Viertelstunde eher da. Außerdem wird ein sauberes und ordentliches Erscheinungsbild von mir erwartet. Schließlich habe ich es mit Kunden zu tun. Die wollen mich schnieke und sauber.
Zudem freue ich mich auf den Früh- dienst mit Corina und Irene. Vor allem Corina hat es mir angetan. Bei ihr schmelze ich regelmäßig dahin. Für sie würde ich alles tun.
Ich setze mich also in meine Karre und fahre los. Im Krankenhaus angekommen, schätze ich mich glücklich. Denn schließlich habe ich noch einen der letzten Spinde ab- bekommen. Ich zwänge mich also in die neuen Klamotten, in denen ich wie ein Fleischerfachverkäufer aussehe und frage mich, wer dieses Zeug eingekauft hat. Bevor mich die Wut aber vollständig in ihren Bann ziehen kann, rettet mich die Stimme von Corina, die meine An- wesenheit registrierend, meinen Namen gerufen hat. Und wie immer schmelze ich dahin.
„Duuuu“, sagt sie,
„die suchen heute jemanden, der auf der Gyn aushilft. Kannst du das nicht machen?... Bitte“. Natürlich kann ich!
Auf dem Weg zur Gyn frage ich mich, ob die da die gleichen Urinkatheter wie bei uns, in der Uro, benutzen? Während ich diese schwerwiegende Frage mit meinem Examenswissen von vor 20 Jahren abzu- gleichen versuche, befällt mich Unsicherheit. Außerdem ärgere ich mich darüber, dass jetzt auch immer häufiger in fachfremden Bereichen ausgeholfen werden soll.
Die Kollegin nimmt mich in Empfang. Sie ist zwar nicht so nice wie meine Corina, aber freundlich bemüht. Sie hätten zwei Ausfälle und keinen aus dem Pool mehr bekommen. Ich soll die Zimmer 1 bis 6 übernehmen, das wären die leichtesten Fälle.
So lange ich nicht katheterisieren muss, denke ich mir, ist alles ok.
Aber verdammt, was ist das denn? Die Geräte kenne ich gar nicht. Darf ich denn daran arbeiten? Mir fällt ein Schreiben des verrückten Personalrats ein, der davor gewarnt hat, Geräte ohne Einweisung zu bedienen. Meine Unsicherheit verstärkt sich. Und nimmt im Laufe des Frühdienstes noch zu. Die Antwort auf die Frage, ob die gleichen Größen beim Katheterisieren benutzt werden, rückt im Verlaufe des Frühdienstes immer mehr in den Hintergrund. Patienten ... pardon ... Klienten ... kommen und gehen, zwei Notfälle halten uns auf Trab und unangekündigte Aufnahmen und Verlegungen bringen den Ablauf stark durcheinander. Zudem kommen fordernde Ärzte später zur Visite als geplant und ein Ersatz für den Spätdienst soll auch noch organisiert werden. Das sei normal, sagt die Kollegin. An Pause ist nicht zu denken.
Dabei gibt es doch ein Gesetz. Völlig geschafft und deprimiert da- rüber, dass ich mich in vielen Situationen so hilflos gefühlt habe, trete ich nach neun Stunden meinen Heimweg an. Immer häufiger ver- fluche ich meinen Job. Ich kaufe ein, regele meinen Haushalt, lege mich aufs Sofa und schlafe ein. Donnerstag, 4:15 Uhr, der Wecker klingelt. Das ist früh. Ich wohne aber in Hattingen, dusche gerne bevor ich das Haus verlasse und bin auch gerne eine Viertelstunde eher da. Außerdem wird ein sauberes und ordentliches Erscheinungsbild von mir erwartet. Schließlich habe ich es mit Kunden zu tun. Die wollen mich schnieke und sauber.
Als ich die Station erreiche und mich Corinas zuckersüße Stimme erreicht, schwant mir Übles ...